The Philharmonic Pop Experience: l’arc six mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und dem Großen Chor und Popchor des Helmholtz-Gymnasiums Potsdam
9. Mai 2010
19:30
Potsdam
Nikolaisaal

l’arc six mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg (Ltg. Scott Lawton) und dem Großen Chor und Popchor des Helmholtz-Gymnasiums Potsdam (Einstudierung: Helgert Weber, Ellen Rossie-Weller und Adrian Schenk).

Das Konzert wurde präsentiert von radioeins.


Den Horizont erweitern
Popsinfonisches Großprojekt mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und Gymnasialchören im Potsdamer Nikolaisaal

Frau Claas, normalerweise stehen Sie mit kleineren Formationen wie Ihrem Trio auf der Bühne. Wie ist es um Ihre Orchester-Erfahrung bestellt?

Vor vier Jahren trat unser Sextett l’arc six zum ersten Mal mit der Anhaltischen Philharmonie Dessau auf. Es war eine gewaltige Herausforderung, unsere Stücke für ein 60-köpfiges Sinfonieorchester zu arrangieren. Aber auch ein großer Spaß – wann hat man schon die Gelegenheit, mit einem solchen Klangkörper zu arbeiten! Daraus entstanden die gemeinsamen CDs „In einem Meer von Tönen“ und „In Every Detail“, und es folgten weitere Auftritte mit verschiedenen Orchestern und Chören.

Was fasziniert Sie an der Arbeit mit einem großen Ensemble?

Jeder Songwriter träumt davon, die eigene Musik so veredeln zu lassen. Ich werde nie meinen ersten Auftritt mit einem Orchester vergessen. Da kam von hinten dieser mächtige Sound – ein wunderbares
Gefühl.

In Potsdam sind auch noch die beiden Chöre des Helmholtz-Gymnasiums mit von der Partie.

Wir haben die Chor-Arrangements selbst geschrieben und dieses Projekt schon mehrmals mit Schulchören durchgeführt. Es ist mir wichtig, Profis und Amateure zu vereinen. Ende des Jahres wollen wir im niedersächsischen Einbeck Chöre von Gymnasien, von Haupt- und Realschulen zusammenbringen; also auch die verschiedenen Bildungsschichten.

Sind die Chorsänger und die Musiker des Babelsberger Filmorchesters nur eine Begleitung für Ihre Band?

Sie bilden einen zentralen Bestandteil des Klangs. Alle zusammen – Band, Orchester und die über hundert Choristen – verbinden sich zu einem mächtigen Sound-Teppich. Außerdem treten besonders talentierte Schüler mit Solo-Partien hervor.

Wie unterscheidet sich die Arbeit mit solch einer Großbesetzung von der mit einem Kammer-Ensemble?

Mein eigener Spielraum schrumpft. Wenn ich mit meinem Trio auftrete, reagieren wir spontan aufeinander. Mit einem Orchester geht das nicht; das spielt ja nach Noten. Der Ablauf ist also genau festgelegt. Zweitens muss ich mehr Power in meine Stimme legen, um den Orchesterklang zu übertönen. Aber da wir die Arrangements selbst schreiben, können wir die Lautstärke der Musiker beeinflussen.

Wie bezeichnen Sie Ihren Stil?

Darüber denke ich nicht nach. Was wir mit l’arc six machen, nennen wir kammermusikalischen Pop. Und die gemeinsame Arbeit mit dem Orchester ist wohl eine Form von Crossover, wobei ich diesen Begriff ziemlich nichtssagend finde.

Ist es Ihr Ziel, die Gräben zwischen E und U zuzuschütten?

Ich hoffe, das ergibt sich einfach. Mir liegt etwas daran, dass junge Leute ihren Horizont erweitern und mal in einen Konzertsaal kommen. Es gibt ja viele, die noch nie Live-Musik gehört haben, sondern immer nur Konserven konsumieren. Denen mal einen Impuls zu geben, das ist sogar ein wenig eigennützig, denn hier handelt es sich ja um unser zukünftiges Publikum.

Wie sind Sie selbst zur Musik gekommen?

Mein Vater spielt verschiedene Instrumente; mein Opa war sogar Opernsänger. Ich habe schon immer gerne gesungen, aber lange war es mir peinlich, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Erst mit Mitte Zwanzig wusste ich, was ich wollte, und habe mich entschlossen, Jazzgesang zu studieren.

Interview: Antje Rößler, Märkische Allgemeine Zeitung

 

Nicht nur in kleiner Besetzung groß: Cristin Claas mit Gästen im Nikolaisaal

Wer einmal die Stimme von Cristin Claas gehört hat, wird sie nicht vergessen. Nach ihrem umjubelten Konzert vor knapp drei Jahren stand sie am Sonntag auf der großen Bühne des Nikolaisaals. War sie damals nur mit ihren engsten Musikerkollegen Christoph Reuter, Klavier, und Stephan Bormann, Gitarre, erschienen, so gab es diesmal kolossalen Sound mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und den Chören des Potsdamer Helmholtz-Gymnasiums zu hören. Das Ergebnis riss die Zuhörer im ausverkauften Nikolaisaal zu Beifallsstürmen hin, die mit vielen Zugaben belohnt wurden.

Musikalische Verstärkung braucht Cristin Claas eigentlich nicht, ihr voluminöser, facettenreicher, einzigartiger Gesang überzeugt einfach immer. Doch bei diesem Konzert stand ihre Stimme nicht allein im Vordergrund. Hinzu kamen der süffige Klang des Filmorchesters Babelsberg unter der Leitung von Scott Lawton und die fünf Musiker der Band l’arc six.

Rund siebzig Mitwirkende aus dem Helmholtz-Gymnasium ergänzten das musikalische Festmahl mit ihren jungen Stimmen. Die lange, durch den Ausfall des Konzerttermins im Februar noch einmal verlängerte Probenzeit, kam dem Gesamtklang sehr zugute. Mal leiser, mal lauter summten, sangen und schnipsten die Helmhöltzer im Hintergrund, präzise kamen die Einsätze, subtil klangen dynamische Abstufungen. Gelegentlich kam eine kleinere Chorformation zum Einsatz und sogar einzelne Solisten wurden von Cristin nach vorn geholt. Anne Hilbert, Melanie Hill und Robert Niemeyer zeigten, dass sie sängerisch durchaus mithalten können.

Hohes Niveau bezeugte auch der Gospelsong „Holy“, das einzige a-capella-Stück des Abends, das vom Chor unter der Leitung von Ellen Rossi-Weber schwungvoll dargeboten wurde. Davon abgesehen, erklangen ausschließlich eigene Kompositionen von Cristin Claas, Christoph Reuter und Stephan Bormann. Gerald Manske, der Mann am Elektro-Cello, staffierte die Songs mit prachtvollem symphonischen Sound aus. Aus den üppigen Arrrangements mit Streichern, Holz- und Blechbläsern leuchteten immer wieder einzelne Instrumente hervor. Mal klang das träumerisch weich, mal sorgte die doppelte Schlagzeugbesetzung für fetzige Jazz- und Funkrhythmen. Ganz bewusst bekannten sich die Musiker um Cristin Class zu einem stilistischen Mix. Musikalische Elemente aus aller Welt wurden aufgegriffen.

Ob indische Tabla-Trommeln, Flamencogitarrentöne, Glockenspiel oder Cello-Solo – alles fügte sich organisch in die Songs ein. Jedes Stück wirkte höchst individuell und einfallsreich. Die Bandbreite reichte von Soul und Jazz, Pop-Musik, Scat-Gesang und Singer-Songwriter-Stil bis zu westafrikanischen Klängen in dem hinreißenden Stück „Suninga“. Cristin Claas, die aus einer musikalischen Familie stammt und doch erst nach einer Ausbildung als Erzieherin ein Musikstudium in Weimar und Leipzig absolvierte, zeigte einmal mehr, wie viel musikalisches Potential noch in ihr steckt. Dass diese Musik einen Herrn aus dem Publikum dazu inspirierte, seiner Dame einen öffentlichen Heiratsantrag zu machen, spricht durchaus für die kreativen Impulse, die von ihrer Kunst ausgeht. Was letztlich schöner klingt, intime Kammermusik mit Cristins Band l’arc six oder das opulente Breitwandformat mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg, bleibt eine Frage des Geschmacks. Das begeisterte Publikum im Nikolaisaal votierte eindeutig für die zweite Version.

Babette Kaiserkern, Potsdamer Neueste Nachrichten