8. Oktober 2011 | |
19:30 | |
Dessau | |
Marienkirche | |
Google Map |
Das Release-Konzert zur „No.8“.
Als müsste es genauso seinManchmal bringt ein Song offenbar eine verborgene Saite zum Schwingen, obwohl die Wirklichkeit ihm widerspricht: Als Cristin Claas das Konzert von l’arc six am Samstagabend mit “Wo immer Du auch bist / Hier bist Du nicht” eröffnet, spiegelt sich in diesem Opener der neuen CD “No.8” zwar die Herbststimmung vor den Fenstern der Marienkirche. Der wehmütige Gruß an einen Abwesenden aber müsste am Publikum eigentlich vorbeigehen. Denn schließlich sind sie ja alle da – und werden von der Band wie alte Freunde begrüßt, die man viel zu lange nicht gesehen hat.
Es ist immer viel passiert, wenn l’arc six nach Hause kommt: Gitarrist Stephan Bormann hat sich ein neues Effektgerät gekauft und im Studio die Finger wund gespielt, Saxophonist Jörg Naumann hat sein Instrumentarium um die armenische Flöte namens Duduk erweitert und die Cello-Kollektion von Gerald Manske ist ebenfalls um ein futuristisches Exemplar reicher.
Christoph Reuter hingegen entdeckt zunehmend den Gesang für sich und weiß spannende Details über die Jahre eines Liedes zu berichten, die länger als die Jahre eines Menschen dauern – ein dadaistischer Moment wie der wunderbare Song “A said to B”, in dem l’arc six beweist, dass man buchstäblich das ABC singen und auch damit sein Publikum fesseln kann. Und während Thomas Rüdiger aus dem Hintergrund den Abend souverän zusammenhält und vorantreibt, schnallt sich Cristin Claas irgendwann sogar eine akustische Gitarre um und steht wie eine Singer-Songwriterin im Rampenlicht – und auch das sieht so aus, als müsse es genau so sein.
Dass es an diesem Abend sowohl ein Stück namens “Jetzt” als auch ein Pendant namens “Yes” gibt, sagt viel über die Verfassung dieses Sextetts. Noch immer sind sie in der glücklichen Lage, das zu tun, was sie wollen – aber es nicht zu müssen. Die Freude beim Zuhören verdankt sich der Freude am Musizieren, die entspannte Atmosphäre auf der Bühne überträgt sich auf die Zuhörer. Wie blind sich die Musiker dabei verstehen, zeigt ausgerechnet Kurt Weills “September Song”, den ein Feuerwerk vor den Fenstern der Marienkirche auf grelle Art illuminiert und zum magischen Moment der Improvisation werden lässt.
Da verwandelt sich der “December” in ein “Silvester”, fliegen die Akkorde zwischen der Gitarre auf der rechten und dem Keyboard auf der linken Bühnenseite hin und her, wird lässig gesteigert und verweigert – grandios! Und am Ende blüht dann noch das “Röslein”, das vom Cristin Claas Trio begonnen und von l’arc six beendet wird – die passende Zugabe zum neuen Material, das vom Schachtelwerk-Duo Juliane Naumann und Peggy Weituschat zudem mit dem treffenden Artwork versehen worden ist. 15 Schmetterlinge aus Papier haben sie für das Cover gefaltet, 15 Songs und Intermezzi sind den passionierten Sammlern bei ihren Aufnahmen im Waldhaus-Studio zugeflogen. Wenn man nicht wüsste, dass es immer weitergeht, müsste man langsam für eine Best-of-CD plädieren. Aber vorerst gilt ja das Versprechen: “So wird es bleiben”.
Andreas Hillger, Mitteldeutsche Zeitung